Effektive Schutzgebiete für den Schweinswal
Er ist der einzige heimische Wal an Deutschlands Küsten: der Gewöhnliche Schweinswal oder Kleine Tümmler. Die Organisation Whale and Dolphin Conservation (WDC) kämpft seit Jahren für die Rettung des Kleinwals, denn der ist stark bedroht. In der zentralen Ostsee steht er sogar kurz vor dem Aussterben und nicht einmal in Meeresschutzgebieten findet er die so dringend benötigte Verschnaufpause. Die Umweltstiftung Greenpeace setzt ihre Unterstützung für den Schweinswalschutz fort und fördert ein neues Projekt von WDC ab 2023 mit 17.000 Euro pro Jahr. Das Ziel: Ein Verbot von Stellnetzen und dem Bau von Offshore-Windparks in Schutzgebieten, damit diese den Walen endlich wirksameren Schutz bieten.

Die größte Gefahr für Schweinswale stellt nach wie vor die Fischerei dar: „Vor allem die kilometerlangen Stellnetze in der Ostsee sind oft tödliche Fallen für die Wale“, erklärt Fabian Ritter, Meeresbiologe und Leiter des Bereichs Meeresschutz bei WDC. „Sie können die dünnen, reißfesten Nylonfasern wahrscheinlich nicht erkennen, verfangen sich in den Maschen und ersticken.“ Noch immer landen auf diese Weise jährlich unzählige Schweinswale als Beifang in den Netzen.
Daneben gibt es jede Menge weitere Bedrohungen für den bei uns heimischen Wal: Umweltverschmutzung, Überfischung, Müll, aber auch der zunehmende Unterwasserlärm setzen dem Kleinen Tümmler zu. Wie viele Wal- und Delfinarten nutzen auch Schweinswale Schall, um sich zu orientieren, zu kommunizieren oder ihre Beute aufzuspüren. Laute Schiffsmotoren, Unterwassersprengungen, der Bau von Offshore-Windparks, Militärübungen oder auch die seismische Suche nach Öl und Gas können das Gehör der Wale schädigen und ihre Orientierung erheblich einschränken. Die unfreiwillige Flucht kostet die Meeressäuger viel Energie und schwächt zusammen mit den Belastungen durch Umweltgifte und die Meeresverschmutzung ihre Gesundheit.
Aktuell werden die Schweinswal-Populationen in der deutschen Nordsee und der westlichen Ostsee auf mehrere 10.000 Individuen geschätzt. In der zentralen Ostsee ist die Schweinswal-Population akut vom Aussterben bedroht, dort leben geschätzt nur noch wenige hundert Wale.
Meeresschutz nur auf dem Papier
Schutzgebiete könnten für den Schweinswal wichtige Rückzugsorte sein. Für den länderübergreifenden Schutz gefährdeter Pflanzen- und Tierarten und ihrer Lebensräume wurde in Europa das Schutzgebietsnetz Natura 2000 geschaffen. Seit 2020 besitzen die Natura 2000-Gebiete in deutschen Gewässern der Nordsee – die Doggerbank, das Sylter Außenriff sowie der Borkum-Riffgrund – den rechtlichen Status von Naturschutzgebieten. Das soll helfen, Seevögel, Kegelrobben, Seehunde und Schweinswale, aber auch viele Fischarten zu schützen und wichtige Lebensräume wie Sandbänke und Riffe zu erhalten. In der Ostsee zählen die Pommersche Bucht, die Kadetrinne und der Fehmarnbelt zu den Natura 2000-Gebieten. Hier fehlen jedoch noch die entsprechenden Managementpläne, die regeln, was in den Schutzgebieten erlaubt ist und was nicht.
Auch die Maßnahmenpläne für den Erhalt und Schutz der Nordsee-Gebiete sind bisher völlig ungenügend. Tatsächlich sind nur wenige menschliche Aktivitäten grundsätzlich verboten, etwa das Einbringen von Baggergut. Mit der Grundschleppnetzfischerei, die den Meeresboden beschädigt, und der Stellnetzfischerei, die wegen des enormen Beifangs in der Kritik steht, bleiben gleich zwei der umstrittensten Fischereimethoden auch in den Schutzgebieten erlaubt. Auch der Schiffsverkehr darf weiterhin ungehindert passieren, und nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung können Windparks und sogar der Abbau von Rohstoffen genehmigt werden. Selbst militärische Übungen dürfen auf und unter Wasser mitten in den Schutzgebieten stattfinden.
Der Ukrainekrieg und die Energiekrise 2022 haben die Situation in den Meeresschutzgebieten weiter verschärft: Der geplante massive Ausbau von Offshore-Windparks und die Bestrebungen, auch in der Nordsee wieder verstärkt Öl und Gas zu fördern, setzen die Meere vor unserer Haustür zusätzlich unter Druck. Das schürt Sorgen, dass die Maßnahmen für den Meeresschutz aufgeweicht werden und der dringend notwendige Schutz der Schweinswale Rückschritte erleidet. WDC befürchtet zudem, dass neue Windparks womöglich auch innerhalb von Schutzgebieten gebaut werden. Bereits jetzt befindet sich mit „Butendiek“ ein Offshore-Windpark im Sylter Außenriff. Der Bau neuer Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee verursacht schon jetzt jede Menge zusätzlichen Lärm. Denn wenn die riesigen Fundamente der Windräder in den Meeresboden gerammt werden, verursacht das extrem hohe Schallpegel. Der Lärm ist kilometerweit zu hören. Für Schweinswale, aber auch für andere Meerestiere eine echte Qual.
Stellnetze raus aus Schutzgebieten
Whale and Dolphin Conservation (WDC) Deutschland setzt sich seit über zehn Jahren für den Schutz des Schweinswals und für effektive Meeresschutzgebiete ein. Seit 2017 unterstützt die Umweltstiftung Greenpeace die Arbeit von WDC. Damals startete die Kampagne „Walheimat – Echte Schutzgebiete für den Schweinswal“ zunächst mit einer bundesweiten Vortragsreihe und mehrtägigen Workshops für Journalist:innen und Blogger:innen. Zahlreiche Artikel, Video- und Radiobeiträge informierten im Anschluss über die Probleme des Meeressäugers und die Versäumnisse der Politik in Bezug auf seinen Schutz. In der folgenden Kampagne machte WDC vor allem auf die Lage in den Schutzgebieten aufmerksam und forderte, Stellnetze aus diesen zu verbannen.
2022 folgte dann der erste Teilerfolg: Die Stellnetzfischerei wurde in vier deutschen Schutzgebieten immerhin saisonal von November bis Februar verboten. Das reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um das Überleben der bedrohten Wale zu sichern. Deshalb will WDC nun den Druck auf die Politik erhöhen. Das Ziel: In deutschen Meeresschutzgebieten sollen Stellnetz- und Grundschleppnetzfischerei ganzjährig und flächendeckend verboten werden. Gleichzeitig sucht die Organisation auch außerhalb der Schutzgebiete nach Lösungen. So sprach WDC in der Vergangenheit etwa mit Ostsee-Fischer:innen über deren Bereitschaft zum Einsatz umweltfreundlicher Fangmethoden als Alternative zur Stellnetzfischerei.
Energiewende naturverträglich gestalten
Auch beim Thema Offshore-Windenergie macht die Organisation Druck und fordert, dass keine neuen Windräder in Schutzgebieten errichtet werden. „Die Energiewende ist wichtig“, erklärt Ritter. „Es ist aber ebenso wichtig, dass der Ausbau der Offshore-Windkraft naturverträglich geschieht. Ansonsten lösen wir ein Problem – den Klimawandel – durch ein anderes – den Biodiversitätsverlust – ab.“ WDC fordert u.a., dass neue Windkraftanlagen nur unter Einsatz der neuesten, Lärm vermeidenden Technologien gebaut werden. Doch selbst unter diesen Bedingungen geht der Bau der Offshore-Windparks mit einer immensen Lärmbelastung und Lebensraumveränderung für die Wale einher. Auch der laufende Betrieb bringt einen lärmintensiven Schiffsverkehr mit sich. „Umso wichtiger ist es, dass die Schutzgebiete den Kleinwalen echten Schutz bieten, indem wir sicherstellen, dass zumindest hier keine neuen Windparks gebaut werden“, sagt Ritter.
Meeresschutz für Klima und Artenvielfalt
Greenpeace engagiert sich für ein globales Netzwerk von Meeresschutzgebieten und fordert, bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Weltmeere unter Schutz zu stellen. Neben den Bedrohungen durch den Tiefbergbau und dem Schutz der Hohen See hat sich Greenpeace in der Vergangenheit immer wieder für effektive Meeresschutzgebiete in der Nord- und Ostsee sowie für den Schweinswalschutz stark gemacht. Im Juli 2022 protestierte Greenpeace gegen die Erschließung eines neuen Unterwassergasfelds vor Borkum durch eine niederländische Firma, an einem Hotspot für Schweinswale und mitten in einem Schutzgebiet. Solche neuen Bohrungen nach Öl und Gas zu verhindern und strengere Regeln für die Schutzgebiete durchzusetzen, schützt nicht nur den Lebensraum des Schweinswals. Indem Öl und Gas im Meeresboden gelassen werden, schützt dies auch das Klima.