Forschung zum Schutz der Hohen See

Es sind Verhandlungen von historischer Bedeutung: Die Vereinten Nationen beraten seit 2018 über das erste Abkommen zum Schutz der Hohen See, also die endlose Weite außerhalb der nationalen 200-Seemeilen-Zonen. Für diese große Chance haben Greenpeace und andere Organisationen viele Jahre gearbeitet – und auch die Umweltstiftung hat einen Anteil. Um Druck für ein starkes Abkommen zu machen, startete Greenpeace 2019 eine buchstäblich weltumspannende Aktion: eine fast einjährige Tour vom Nord- bis zum Südpolarmeer mit den Schiffen „Arctic Sunrise“ und „Esperanza“. Dabei ging es nicht nur um internationale Aufmerksamkeit. Crew und externe Wissenschaftler:innen realisierten auch ein aufwändiges, professionelles Meeresforschungsprogramm. Möglich wurde dieses durch die umfangreiche finanzielle Unterstützung der Umweltstiftung.

Um Druck auf die Verhandlungen zu erhöhen, startete Greenpeace 2019 eine fast einjährige Tour vom Nord- bis zum Südpolarmeer.

41 Arten am Tiefseeberg Vema dokumentiert

Für die Forschung setzten die Greenpeace-Besatzungen modernste wissenschaftliche Technologien ein, etwa die Analyse so genannter eDNA (e für „environment“, Umgebung). Das sind kleine Genpartikel, die Tiere an das Wasser abgeben. Ein aufwändiges und zugleich hoch effektives Verfahren, das die Umweltstiftung ermöglicht hat. Dadurch lässt sich bestimmen, welche Arten in einem Gebiet vorkommen – sie hinterlassen quasi dort ihre Visitenkarte. Besonders in schwer zugänglichen Gebieten bietet die eDNA-Methode ganz neue Forschungsmöglichkeiten. Crews und Wissenschaftler:innen nahmen dafür Wasserproben an ökologischen Hotspots wie der Saragassosee, am Seeberg Mount Vema im Südostatlantik und im Südpolarmeer. Diese wurden dann im Labor unter anderem auf Spuren von Walen, Delfinen und Haien untersucht. Denn diese Arten stehen am Kopf der maritimen Nahrungskette und sind deshalb wichtige Indikatoren für die Artenvielfalt in einer Region.

Zum Berg Vema sind bereits erste wissenschaftliche Veröffentlichungen in Vorbereitung: Die Forscher:innen entdeckten dort DNA-Spuren von insgesamt 41 Fisch- und Walarten. Darunter viele, die sonst schwer zu finden sind wie den Zwergpottwal. In den antarktischen Gewässern wurde die eDNA-Methode zum allerersten Mal eingesetzt. Die Daten werden unter anderem zeigen, wie sich die Verbreitung von Arten durch den Klimawandel verändert.

Ein weiterer Schwerpunkt waren Tonaufnahmen von Walen mithilfe hochsensibler Unterwasser-Mikrofone. Denn bis heute fehlen in vielen Meeresgebieten aktuelle Daten zum Beispiel zu den Wanderrouten von Pottwalen – die letzten stammen aus Logbüchern von Walfängern aus dem 19. Jahrhundert! Bei der Auswertung gab es bereits eine Überraschung: 3 Walrufe konnten keiner bekannten Art zugeordnet werden. Mit stationären Mikrofonen wurde zudem auch der Berg Vema drei Wochen lang auf durchziehende Wale „abgehört“.

Daten helfen direkt, Konflikte mit der Fischerei zu entschärfen

Wie vielfältig das gesammelte Material von Forscher:innen weltweit genutzt werden kann, zeigt eine Kooperation mit der Universität St. Andrews in Schottland. Greenpeace unterstützt hier mit den Wal-Aufnahmen ein innovatives Projekt, das ganz praktisch dazu beiträgt, Pottwale zu schützen. Die Universität hat einen Detektor entwickelt, der anhand der Klicklaute das Vorkommen der Tiere lokalisieren kann. Das wäre eine große Hilfe, um Konflikte mit der handwerklichen Langleinen-Fischerei zu entschärfen. Denn die Pottwale fressen den Kleinfischern vor der Küste Alaskas den Fisch von den Leinen oder verheddern sich selbst darin. Mithilfe des Klick-Detektors könnten die Fischer:innen die Anwesenheit von Pottwalen erkennen und in andere Gebiete ausweichen. Mit den gesammelten Greenpeace-Daten wird nun der Algorithmus hinter dem Klick-Detektor trainiert.

All diese Forschung ist dringend notwendig – doch sie erfordert eine aufwändige Logistik, die sich Universitäten oft nicht leisten können. Greenpeace und die Umweltstiftung schließen diese Lücke! Insgesamt haben die Wissenschaftler:innen und die Crews auf der Forschungsreise einen riesigen Datenschatz zusammengetragen. Er bietet die Grundlage für Jahre der Forschung. Die Ergebnisse werden in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht und so für die Welt zugänglich gemacht.

Ein weltweites Netz von Schutzgebieten

Je mehr Erkenntnisse vorliegen, desto besser lässt sich erklären, warum wir die Hohe See schützen müssen. Greenpeace hat dazu gemeinsam mit Wissenschaftler:innen zu Beginn der UN-Verhandlungen den Report „30 x 30“ vorgelegt, ebenfalls finanziert von der Umweltstiftung: ein Plan für ein weltweites Netz von Schutzgebieten, mit dem bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Weltmeere geschützt werden sollen. Die Regierungsvertreter bei den Vereinten Nationen haben die Chance, Geschichte zu schreiben. Nun müssen sie sie nutzen und das erste Schutzabkommen für das Blau in unserem blauen Planeten verabschieden.