Arche Warder – Zentrum für alte Haus- und Nutztierrassen
Ohne Haustiere wäre die Menschheit nie so weit gekommen. Ein Projekt, das die Umweltstiftung von 2003 bis 2020 unterstützt und begleitet hat, widmet sich der Bewahrung alter Nutztierrassen. In der Arche Warder bei Kiel leben so bemerkenswerte Tiere wie das stämmige Schleswiger Kaltblut, die Ungarische Lockengans und die Girgentana-Ziege mit ihrem eleganten Korkenziehergehörn. Neben der Erhaltungszucht ist Umweltbildung ein zentrales Anliegen des Tierparks.
Alle Schweine sind rosa? Das könnte man meinen, denn so sehen Mastschweine in den meisten Ställen der Welt nun einmal aus. Das „Schweineland“ in der Arche Warder vermittelt dagegen eine Idee davon, wie groß und bunt die Familie der Hausschweine tatsächlich ist: Das Rotbunte Husumer etwa ist rot-weiß gestreift, das Turopolje Schwein ist schwarz-weiß getupft und das Blonde Mangalitza Wollschwein ähnelt einem Schaf. Zehn Schweinerassen widmen sich in Freigehegen ihren arttypischen Verhaltensweisen, wie mit der Nase im Boden zu wühlen oder sich im Matsch zu suhlen. Die Turopolje können sogar ausgezeichnet schwimmen und teilen sich mit Enten und Gänsen einen Teich.
So gut wie sie haben es auch die Esel, Pferde und Rinder, die Ziegen, Schafe und alle weiteren Bewohner des naturnah gestalteten Landschaftstierparks. Insgesamt rund 1.200 Tiere von über 80 Rassen werden im Zentrum sowie auf Außenflächen („Satellitenstationen“) artgerecht gehalten. Hauptziel ist es, durch Erhaltungszucht den kostbaren Genpool dieser Rassen zu bewahren.
Rettungsaktion und Unterstützung
Greenpeace e.V. und die Umweltstiftung Greenpeace retteten 2003 den Tierpark aus der Insolvenz. „Wir waren von dem ganzheitlichen Konzept überzeugt und erkannten die große Bedeutung des Projekts für viele kommende Generationen“, erinnert sich die ehemalige Geschäftsführerin Melanie Stöhr und fügt hinzu: „Wir wollten den unwiederbringlichen Genpool der alten Rassen unbedingt sichern!“
Die Stiftung kaufte auch die Hofstelle aus mehreren Gebäuden, um deren Instandhaltung, Modernisierung und Erweiterung sie sich fortan kümmerte, und die sie langfristig an den Verein Arche Warder, Zentrum für alte Haus- und Nutztierrassen e.V. verpachtete. Der Park wurde nach und nach saniert, es wurden Wege, Zäune und Gehege, Ställe und Volieren, Elektro- und Wasserleitungen erneuert. Da das Projekt sich gut entwickelte und mittlerweile finanziell auf eigenen Beinen steht, konnte Arche Warder 2020 die Hofstelle von der Stiftung erwerben.
Vielfalt als Versicherung für die Zukunft
Ungefähr vor 12.000 Jahren begannen die ersten Bauern, geeignete Wildtiere zu domestizieren. Ziege und Schaf zählen zu den frühesten Haustieren. Im Lauf der Jahrtausende züchteten die Menschen zahlreiche Rassen mit speziellen Eigenschaften, um sie an ihre Bedürfnisse und regionale Gegebenheiten anzupassen.
Haustiere verkörpern eine beachtliche Kulturleistung des Menschen, umgekehrt haben sie enorm zu unserer kulturellen und weiteren Entwicklung beigetragen. Doch von den rund 8.800 weltweit erfassten Nutztierrassen stehen mehr als 2.500 auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Teilweise gibt es nur noch wenige Individuen.
Schuld an dem dramatischen Schwund ist die industrielle Landwirtschaft: Sie fixiert sich auf wenige global verfügbare Hochleistungsrassen – ohne Rücksicht auf das Tierwohl: So leiden „Turbokühe“ wie die Deutsche Holstein, die pro Jahr mehr als 10.000 Liter Milch geben müssen, häufig unter Krankheiten wie Klauenrehe oder Euterentzündung. Und nach nur wenigen Lebensjahren sind sie ausgelaugt und werden geschlachtet. „Statt mit unnatürlichen Höchstleistungen punkten die alten Rassen unter anderem mit Robustheit: Das kann beispielsweise bedeuten, dass die Tiere rauer Witterung trotzen, dass sie mit karger Nahrung zurechtkommen und dass sie eine hohe Immun-Abwehr gegenüber Krankheitserregern zeigen“, erklärt Direktor Prof. Frölich und betont „Wenn etwa neue aggressive Keime auftauchen, wenn der Klimawandel voranschreitet – und auch wenn sich endlich Richtungsänderungen in der Landwirtschaft vollziehen, dann werden alte Rassen aufgrund ihrer Widerstandskraft und besseren Anpassungsfähigkeit an neue Umweltbedingungen zunehmend gefragt sein.“
Viele lohnende Investitionen
Die Umweltstiftung Greenpeace hat das Projekt sehr vielseitig unterstützt. Einige Beispiele:
- Mitfinanzierung von Tierkäufen: Um die teils winzigen Populationen genetisch breiter aufzustellen und Inzucht zu vermeiden, müssen im Austausch mit anderen Züchtern im In- und Ausland regelmäßig neue Tiere angeschafft werden.
- Grüne Energie: 2011 ließ die Stiftung das Dach des Tierschauhauses erneuern und eine Fotovoltaik-Anlage installieren. Sie deckt rund ein Drittel des Energiebedarfs des Tierparks.
- Mitfinanzierung einer Enten- und Gänseanlage 2012: Vier Teiche, mit Bächen und einem Wasserfall verbunden, bieten „Wellness“ für das Federvieh. Zudem entspricht die Anlage den natürlichen Bedürfnissen der Tiere und ist für deren Fortpflanzung notwendig.
- Streichelgehege: 2017 wurde eine begehbare Ziegen- und Kaninchenanlage eingeweiht. Hier können sich die Ziegen artgerecht auf Kletterbäumen austoben, und für die Meißner Widder wurde ein stabiles unterirdisches Tunnelsystem angelegt.
Hilfe für Insekten und Wildvögel
Die Agrarindustrie mit ihrem Einsatz giftiger Pestizide hat zu einem dramatischen Insektenschwund in Deutschland beigetragen, worunter auch ihre gefiederten Fraßfeinde leiden. 2017 startete ein Notprogramm für sie. Mehrere Bienenweiden wurden angelegt, erstmals eine ganzjährige Vogelfütterung durchgeführt und neue Nisthilfen für Vögel und Fledermäuse angebracht.