Von Arche zu Arche die kostbare Vielfalt unserer Haustiere bewahren

Deutschlandweit sind rund 160 Betriebe im Arche-Projekt der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) aktiv: Alle halten und züchten Rassen, die auf der Roten Liste stehen, um deren wertvolle Genressourcen für die Zukunft zu sichern. Die GEH betreut und berät die Betriebe auch regelmäßig vor Ort – ein wichtiges Engagement, das wir gern unterstützen.

Unter dem Motto „Das Walachenschaf – ein Schaf mit Charakter“ wurde das lebhafte Schaf von der GEH zur gefährdeten Nutztierrasse der Jahre 2022 und 2023 ernannt. Foto © Simantke (GEH)

Auch in der Landwirtschaft ist die biologische Vielfalt bedroht und bedarf intensiver Schutzbemühungen. Allein in Deutschland stehen mehr als 170 Tiere auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen, die jährlich von der GEH herausgegeben wird. Wie kam es dazu? Hauptgründe waren technischer Fortschritt und die Industrialisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert. So wurden kräftige Arbeitspferde wie das Schleswiger Kaltblut, das den Pflug zog, durch Maschinen ersetzt. Zudem ging der Trend hin zu wenigen spezialisierten Hochleistungsrassen. Hühner etwa züchtete man auf Eierlegeleistung oder auf Fleischansatz. Auch der Wandel der Esskultur spielt eine Rolle: Schweine mit dicker Speckschicht wie das Angler Sattelschwein waren auf einmal nicht mehr gefragt.

Erhaltungszucht und Öffentlichkeitsarbeit

Dass hierzulande seit über 40 Jahren dennoch keine Haustierrasse mehr ausgestorben ist, haben wir vor allem der engagierten Arbeit der 1981 gegründeten GEH zu verdanken. 1995 rief der Verein, in Anlehnung an die biblische Arche Noah, das Arche-Projekt ins Leben – mit Erfolg: Inzwischen tragen über 160 Betriebe in ganz Deutschland zum Erhalt der gefährdeten Rassen bei, und stetig kommen neue dazu. Es gibt vier Kategorien: Bei den bisher rund 100 Arche-Höfen liegt der Fokus auf der bäuerlichen Nutzung der Tiere. In Arche-Dörfern sowie Arche-Regionen schließen sich mehrere Betriebe zusammen, um Interessierten eine Vielfalt gefährdeter Rassen nahezubringen. Auch in Arche-Parks wird neben der Erhaltungszucht vor allem Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit groß geschrieben.

Wer GEH Arche-Hof werden will, muss diverse Kriterien erfüllen. So müssen mindestens drei Rote-Liste-Rassen gehalten und mindestens zwei in einem anerkannten Herdbuch gezüchtet werden. Wichtig ist unter anderem auch eine artgemäße Haltung und Fütterung.

Regelmäßige persönliche Betreuung und Beratung

Während des Anerkennungsprozesses und auch danach, alle zwei bis drei Jahre, statten Fachberater:innen aus der GEH-Geschäftsstelle den Betrieben persönliche Besuche ab. Denn eine individuelle Beratung ist essenziell für das Gelingen des Projekts. Dabei geht es beispielsweise um Fragen zur Zucht und Tiergesundheit, um Vermarktungsideen, aber auch bei behördlichen Dingen helfen die GEH-Mitarbeitenden weiter. Durch den erfreulichen Zuwachs an bundesweit verstreuten Archen ist der Aufwand allerdings derart gestiegen, dass für eine weiterhin gute Unterstützung der Höfe dringend zusätzliche Mittel benötigt werden. Die Umweltstiftung finanziert daher die Rundreisen für zwei Jahre in 2022 und 2023 mit insgesamt 50 Stationen.

Eine, die viel „rumkommt“, ist Karola Stier, seit 2001 stellvertretende Vorsitzende der GEH und Ziegen-Koordinatorin im Team. Derzeit betreut die Agraringenieurin zum Beispiel einen Arche-Hof-Kandidaten aus der Nähe von Duisburg. „Er übernimmt den Hof eines anderen Landwirts, mitsamt einer schwarzbunten Milchkuhherde, und stellt mittelfristig auf eine Rote-Liste-Rasse um“, erzählt Stier. Sie empfahl ihm das Angler Rind alter Zuchtrichtung, auch wegen dessen gehaltvoller Milch. Außerdem vermittelte sie ihm auch gleich Kontakte zu Züchtern, und so startet der Landwirt jetzt mit je fünf Kühen von zwei anderen Arche-Höfen durch.

Die züchterische Vernetzung der Betriebe ist eine wesentliche Aufgabe der GEH. Eine erfolgreiche Erhaltungszucht ist komplex, gerade bei kleinen Populationen. Immer wieder müssen geeignete Zuchttiere getauscht werden, um eine hohe genetische Vielfalt innerhalb der Rasse zu erreichen. Die GEH hat auch im Blick, insbesondere die extrem gefährdeten Rassen bei ihren Mitgliedern unterzubringen.

Vielseitige Qualitäten – Chance für ein Comeback

Die „Bioarche Gerstner“ im bayerischen Thalmässing sprang schon öfter ein, wenn es um eine Rasse bedrohlich stand. Zum Beispiel nahm sie sich vor Jahren der Deutschen Karakulschafe an. Denn als die Persianer-Mäntel aus Babylammwolle (zum Glück!) außer Mode kamen, ging es mit den Karakulbeständen bergab. Zu den weiteren Raritäten des Arche-Hofs zählen das Zackelschaf, das Krainer Steinschaf, das schon zu Ötzis Zeiten in den Alpen lebte, und das aus Frankreich stammende Rouge du Roussillon. Die Herden arbeiten in der Landschaftspflege. Im Hofladen bieten die Gerstners Milch-, Woll- und Filzwaren, Felle und Fleisch an. Auch Gastronomen schätzen ihre Produkte: Zum Beispiel macht eine Nürnberger Pâtisserie Törtchen aus ihrer Schafmilch.

Nicht nur Feinschmecker:innen können den alten Rassen zu einem Comeback verhelfen, sie überzeugen auch aus tierhalterischer Sicht: Weil sie zwar keine Rekorde erbringen, aber dafür Allrounder sind. „Oft sind sie robuster als die modernen Züchtungen, weniger krankheitsanfällig, genügsamer und wetterfester“, nennt Stier weitere Vorzüge.

Wer mitten im Wattenmeer lebt, darf nicht aus Zucker sein. Die Familie Spreer-Wree bewirtschaftet den einzigen Hof auf der Hallig Süderoog und entschied 2015, ihr Eiland mit seltenen Tieren zu teilen: Ihre Fuchsschafe stammen zwar ursprünglich aus Coburg, kommen mit der steifen Nordseebrise und den Salzwiesen aber prima klar. Zur Familie zählen auch Pommerngänse, Pommernenten und als Besonderheit Dunkle Bienen, eine alte Honigbienenrasse der Roten Liste. Bei „Land unter“, wenn nur noch die Warft mit dem Wohnhaus und Stall aus dem Meer ragen, wenn Menschen und Haustiere eng zusammenrücken, erinnert der Arche-Hof tatsächlich an die Arche Noah.