Klimaschutz: Wälder könnten weit mehr CO2 binden

Wälder haben magische Kräfte: Sie lassen uns aufatmen, die Ohren spitzen und uns eine tiefe Verbundenheit mit der Natur spüren. Außerdem sind sie Schatzkammern der Artenvielfalt. Dass in ihnen noch viel mehr Potenzial steckt, hat Christoph Thies seit der Veröffentlichung der Greenpeace-Waldvision im Frühjahr 2018 schwarz auf weiß: Die teils überraschenden Ergebnisse will der Greenpeace-Waldexperte nun in aller Welt kundtun: „Wälder sind super Klimaschützer, wenn wir sie denn lassen.“

Ein Foto von unten in die grünen Baumkronen von alten, großen Laubbäumen.
Alte, große Laubbäume bieten wertvollen Lebensraum, und sie speichern besonders viel Kohlenstoff. Foto © Markus Mauthe

Eine Waldvision für Klima, Mensch und Natur

Im Auftrag von Greenpeace hatte das Öko-Institut mit Hilfe einer Computersimulation errechnet, dass der deutsche Wald bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine beachtliche Menge Kohlendioxid zusätzlich aus der Atmosphäre binden könnte. Vorausgesetzt, es würden mehr Schutzgebiete ausgewiesen, der große Rest der Fläche ökologisch bewirtschaftet, der Holzeinschlag moderat verringert und Holz viel effektiver genutzt als bisher. Für Christoph Thies liegt damit auf der Hand, dass wir die beiden wichtigsten ökologischen Ziele – Klima- und Naturschutz – erreichen können, wenn wir den Wald wieder wachsen lassen.

Zwar reagiert die Forstwirtschaft noch mit Vorbehalten – sie müsste aufgrund der eingeschränkten Ernte gewisse Einbußen hinnehmen. Allerdings würden sich zeitgleich Kosten für die Waldpflege verringern, und dickere Bäume könnten später teurer verkauft werden. Weniger Eingriffe würden sich langfristig also auch ökonomisch lohnen.

Der Wald als Klimaschützer

Längst hat sich eine lebhafte Diskussion über die Rolle der Wälder entsponnen, weil Politik und Wissenschaft händeringend nach Lösungen für die sich zuspitzende Klimakrise suchen. Um den Klimawandel zu bremsen, wird es nicht reichen, CO2-Emissionen zu reduzieren. Zugleich muss der Atmosphäre CO2 entzogen werden. Deshalb wird Thies nicht müde, die Bedeutung der Wälder als wirksame Kohlenstoffsenken zu betonen. „Wenn wir unsere Wälder wieder wachsen lassen, praktizieren wir eine Art natürliches Geoengineering ohne risikoreiche künstliche Eingriffe. Die Photosynthese hat sich bewährt, sie funktioniert seit mehr als einer Milliarde Jahren!“ Weitere Pluspunkte: „Naturnah bewirtschaftete Wälder speichern nicht nur mehr CO2, sie werden auch produktiver und widerstandsfähiger, und sie schützen die heimischen Arten.“

Wieviel CO2 könnten Europas Wälder zusätzlich speichern?

Wenn schon der vergleichsweise kleine deutsche Wald so produktiv sein könnte – wie viel mehr Kohlendioxid könnten wohl erst die globalen Wälder zusätzlich binden, und so einen entscheidenden Beitrag zur Begrenzung der Erderhitzung leisten? Mit Hilfe der Umweltstiftung Greenpeace will Christoph Thies das Klimapotenzial weiterer Wälder erkunden, zunächst in Europa: Seit November untersucht er mit Kollegen und Wissenschaftlern zwölf Monate lang die Waldbestände in Schweden, Frankreich, Polen und Rumänien. Auch bei diesem Pilotprojekt hofft der Greenpeace-Experte auf ermutigende Resultate, mit denen er auf die internationale Klimapolitik Einfluss nehmen kann. Das sei dringend nötig, denn die Europäische Union könnte 2019 mit dem sogenannten Klimaplan 2050 falsche Weichen stellen: „Anstelle von Kohle könnten wir, um Strom, Wärme und Sprit zu erzeugen, in Zukunft unsere Wälder verfeuern.“ Das dürfe nicht passieren. „Statt Wälder zu roden, müssen wir sie so behandeln, dass sie ihre ganze Kraft als Klimaschützer entfalten können.“ Mit der von der Umweltstiftung finanzierten europäischen Waldvision kommt deshalb rechtzeitig zur EU-Klimadebatte ein dringend benötigtes, zukunftsweisendes Gegenmodell auf den Tisch.