Zähes Ringen um den Schutz der kanadischen Urwälder

Der boreale Wald in Kanada ist zusammen mit den anderen borealen Wäldern in Skandinavien und Russland eines der größten und bedeutendsten Ökosysteme der Erde. Die ausgedehnte Waldwildnis bietet zahlreichen Tieren wie Karibus, Wölfen und Vielfraßen einen Lebensraum, und sie speichert gigantische Mengen Kohlenstoff. Dennoch beuten Forstunternehmen das nur scheinbar unendliche Naturparadies rücksichtslos aus. Urwaldbäume werden Tag für Tag zu Papier und Sägeholz verarbeitet. Eine nachhaltige Forstwirtschaft sieht anders aus.

Landschaftsaufnahme von den Kanada Slate Islands im herbstlichen Licht.
Die kanadadischen Slate Islands. Foto © Markus Mauthe / Greenpeace

Schutzabkommen zum Greifen nah

Nach mehrjährigen Greenpeace-Kampagnen in Kanada und Europa zwang der Druck der Öffentlichkeit die größten Forstunternehmen 2010 an den Verhandlungstisch. Sie versprachen, 30 Millionen Hektar besonders gefährdete Waldgebiete der kanadischen Taiga vorerst unangetastet zu lassen. Im Gegenzug setzte Greenpeace seine Proteste gegen die Forstindustrie aus. Endlich saßen Wissenschaftler, Vertreter der Holzindustrie und Umweltschützer an einem Tisch und verhandelten über das größte Waldschutzabkommen der Welt – eine riesige Chance! Um zum Gelingen beizutragen, finanzierte die Umweltstiftung dem kanadischen Greenpeace-Büro ab 2011 eine Projektstelle, die den Lösungsprozess begleiten und voranbringen sollte. Zweieinhalb Jahre lang rangen die Parteien um eine tragfähige Lösung, doch das größte kanadische Holzunternehmen Resolute Forest Products stellte sich quer. Es wollte Vorschlägen zur Errichtung neuer großer Schutzgebiete nicht zustimmen, die z.B. den Bestand der bedrohten Waldkaribus sichern würden. Ein akzeptables Abkommen war so nicht zu erreichen, daher stieg Greenpeace notgedrungen und unter Protest aus den Gesprächen aus.

Nach diesem Rückschlag ließ sich Greenpeace nicht entmutigen. Die Umweltschützer fokussierten sich auf die Kooperation mit betroffenen indigenen Völkern und anderen Akteuren und informierten die Käufer von kanadischen Papierprodukten. In Deutschland wurden Gespräche mit verschiedenen Zeitungsverlagen geführt und Druck auf die Politik ausgeübt, sich für den Schutz der kanadischen Wälder einzusetzen.

Greenpeace lässt sich nicht mundtot machen

Indes stemmte sich Resolute Forest Products mit voller Härte gegen Greenpeace: Nachdem Greenpeace Kanada mehrfach aufgezeigt hatte, dass der Konzern entgegen seiner Behauptung keine nachhaltige Forstwirtschaft betreibt, verklagte Resolute das kanadische Greenpeace-Büro und zwei seiner Mitarbeiter am 23. Mai 2013 auf Schadenersatz von 7 Millionen kanadischen Dollar. Resolute wirft ihnen Verleumdung vor.

Damit nicht genug: 2016 reichte Resolute eine Klage über 300 Millionen kanadische Dollar gegen Greenpeace International, Greenpeace USA und die NGO "Stand.earth" (vormals "ForestEthics") ein. Aus Sicht von Umweltschützern handelt es sich bei beiden Klagen um sogenannte SLAPP-Klagen (Strategic Lawsuit Against Public Participation), die von Unternehmen zumeist im US-amerikanischen Raum eingesetzt werden, um Meinungsfreiheit und die Hinterfragung von Angelegenheiten öffentlichen Interesses zu unterbinden. Der hohe Aufwand eines Gerichtsverfahrens und die zu befürchtenden Prozesskosten sollen Kritiker einschüchtern. Die beklagten Greenpeace-Büros verteidigen sich juristisch und werden sich nicht mundtot machen lassen. Diese Rechtsverfahren greifen die Meinungsfreiheit von Nicht-Regierungsorganisationen im Allgemeinen an und müssen im Sinne der Zivilgesellschaft gewonnen werden.

Jetzt erst recht setzt sich das Team von Greenpeace Kanada für den Schutz des borealen Urwalds ein. Zurzeit sind nur etwa acht Prozent der kanadischen Waldgebiete durch Gesetze vor dem Einschlag sicher. Dass es sich lohnt, einen langen Atem zu haben, zeigt das Beispiel des „Great Bear Rainforest“ an der Westküste Kanadas. Auch dank des langjährigen Engagements von Greenpeace stehen seit Februar 2016 nun 85 Prozent des dortigen Regenwalds unter Schutz. Drei Millionen Hektar, eine Fläche etwa so groß wie Belgien. Nur mit einem umfassenden Netzwerk aus dauerhaft geschützten Gebieten kann der einzigartige Naturraum in Kanada für zukünftige Generationen und das Klima bewahrt werden. Die Umweltstiftung wird diese wichtige Arbeit auch weiterhin unterstützen.