Singing to be heard: Walen mehr Gehör schenken

Im Meer wird es immer lauter. Eine Gefahr für Wale, da sie mittels Schall kommunizieren, navigieren und Nahrung finden. Die North Coast Cetacean Society, Partner unseres Langzeitprojekts OrcaLab in Kanada, widmet sich dem Thema Ozeanlärm mit einer innovativen Studie.

Das komplexe Sozialleben der Buckelwale gibt der Wissenschaft noch immer Rätsel auf. Mithilfe eines Netzwerks sensibler Unterwassermikrofone will NCCS den Gesang der Wale weiter erforschen. Foto © BC Whales

Die Melodie klingt sehnsüchtig, weich wie eine Oboe, später tief und durchdringend wie eine Tuba – doch hier musiziert ein Buckelwal. Für ihre Brautwerbung komponieren die Bullen mehrstrophige Lieder, jedes Jahr ein neues. Die aktuellen „Hits“ werden von allen männlichen Tieren einer Population erlernt und mitgesungen.
Solch erstaunliche Erkenntnisse verdanken wir Menschen, die Walen unermüdlich zuhören, um sie besser verstehen und schützen zu können. Menschen wie Dr. Paul Spong und Helena Symonds. Bereits seit 2010 unterstützt die Umweltstiftung ihre Forschungsstation OrcaLab in British Columbia. Unsere Förderung trug zum Beispiel dazu bei, das stationseigene Netz aus hochsensiblen Unterwassermikrofonen auszubauen. Diese erlauben es, Orcas und andere Wale zu studieren, ohne sie zu stören, und liefern tiefe Einblicke in ihre Sprache, Wanderungen und sozialen Interaktionen.

Warum Wale „Hörtiere“ sind

Das OrcaLab ist Teil des British Columbia Hydrophone Network, einer Zusammenarbeit aus First Nations und Non-Profit-Organisationen, die von der 2001 gegründeten North Coast Cetacean Society (NCCS) koordiniert wird. Für ein Monitoring zur Walkommunikation sammeln die Partner täglich akustische Daten und teilen diese auch auf ihrer Plattform whalesound.ca. Doch neben Walrufen und Wellenrauschen empfangen die „Ohren unter Wasser“ auch jede Menge menschengemachten Krach. Vor allem die Propeller zahlreicher Schiffe, vom Rennboot bis zum Kreuzfahrtriesen, rasseln und dröhnen durch die Aufnahmen.

Ozeanlärm ist eine verborgene Form der Umweltverschmutzung, die weltweit alarmierend zugenommen hat. Für Wale ist die Lärmbelastung besonders bedrohlich, da sie auf ihren Hörsinn angewiesen sind: „Wale nehmen ihre Umgebung mithilfe von Schall wahr. Sie nutzen ihn, um zu navigieren und Nahrung zu finden, um zu kommunizieren, starke soziale Bindungen zu entwickeln und voneinander zu lernen. All das ist entscheidend für ihr Überleben“, erklärt die Biologin und NCCS-Gründerin Janie Wray. Die Tatsache, dass sich Schall im Wasser über riesige Entfernungen verbreitet – und rund viermal schneller als an Land – war lange Zeit von Vorteil für die Wale. Heute bedeutet es, dass die Meeresbewohner unserem Lärm kaum mehr entfliehen können.

Forschung für mehr Lärmschutz im Meer

Doch wie genau wirkt sich der Lärm auf das Leben der Wale aus? Und wie können wir sie davor schützen? Um das am Beispiel der nordpazifischen Buckelwale herauszufinden, startete NCCS gemeinsam mit Postdoktorandin Erin Wall im Januar 2024 das Projekt „Singing to be heard“, ermöglicht durch die Umweltstiftung. Zum Auftakt hat das Team um Janie Wray eine neuartige Detektorsoftware entwickeln lassen, die Schiffsgeräusche aus der marinen Klangkulisse herausfiltern kann – und zwar einschließlich kleinerer Schiffe ohne AIS-Sender (Automatic Identification System), wie Janie betont. Denn diese seien bisher nur schwer zu überwachen gewesen und daher in Studien zum Meereslärm kaum berücksichtigt worden. „Als nächstes nehmen wir ein Jahr lang den Sound des Ozeans an ausgewählten Hydrofon-Standorten auf, um das Material anschließend zu analysieren“, sagt Janie. „Wir wollen wissen: Wie unterscheidet sich das Singverhalten der Buckelwale in ruhigen und verlärmten Umgebungen? Singen sie bei Lärm möglicherweise lauter, anders oder verstummen sie?“

Tempo-Limits auf See

Die Forschungsergebnisse sollen in Fachmedien veröffentlicht werden und in Schutzkonzepte einfließen, die NCCS politisch Verantwortlichen an die Hand geben will. „Für Gebiete, wo viele Wale und Schiffe verkehren, schlagen wir veränderte Schiffsrouten vor. Eine weitere Lösung, die noch einfacher umzusetzen wäre, sind Tempo-Limits auf See: Denn je langsamer die Fahrt, desto leiser ist ein Schiff unterwegs“, erklärt die Projektleiterin. So wie das Team vom OrcaLab erforscht auch Janie Wray die faszinierenden Meeresriesen entlang der Küste British Columbias seit Jahrzehnten und weiß: „Die Gesangskultur der Buckelwale ist essenziell für ihr Sozialleben und für ihre erfolgreiche Fortpflanzung: Wir müssen sicherstellen, dass die Wale gehört werden!“