Effektive Schutzgebiete für den Schweinswal
Er ist der einzige heimische Wal an Deutschlands Küsten und er ist in großer Not: der Gewöhnliche Schweinswal. Die Verschmutzung unserer Meere, der zunehmende Unterwasserlärm und nicht zuletzt die Stellnetzfischerei setzen dem Kleinwal immer mehr zu. Die Population in der zentralen Ostsee ist bereits vom Aussterben bedroht. Helfen können hier Meeresschutzgebiete, in denen die Meeressäuger wichtige Rückzugsorte und ein umfangreiches Nahrungsangebot vorfinden. Doch gerade in den Schutzgebieten der Nord- und Ostsee mangelt es an Regulierungen und richtigem Management. Die Organisation Whale and Dolphin Conservation (WDC) kämpft seit Jahren für die Rettung des Schweinswals. Mit Unterstützung der Umweltstiftung machen die Walschützer:innen jetzt Druck, dass Schutzmaßnahmen endlich umgesetzt werden.
Die größte Gefahr für Schweinswale stellt nach wie vor die Fischerei dar: „Vor allem die kilometerlangen Stellnetze in der Ostsee sind oft tödliche Fallen für die Tiere“, erklärt Fabian Ritter, Meeresbiologe und Leiter des Bereichs Meeresschutz bei WDC. „Sie können die dünnen, reißfesten Nylonfasern wahrscheinlich nicht erkennen, verfangen sich in den Maschen und ersticken.“ Noch immer landen auf diese Weise jährlich unzählige Schweinswale als Beifang in den Netzen.
Auch die Umweltverschmutzung, Überfischung und der zunehmende Unterwasserlärm setzen dem Kleinen Tümmler zu. Wie viele Wal- und Delfinarten nutzen auch Schweinswale Schall, um sich zu orientieren oder ihre Beute aufzuspüren. Laute Schiffsmotoren, Unterwassersprengungen, der Bau von Offshore-Windparks, Militärübungen oder auch die seismische Suche nach Öl und Gas können das Gehör der Tiere schädigen. Dabei ist gerade dieses für die Kommunikation mit Artgenossen, die Nahrungsaufnahme und Orientierung der Wale überlebenswichtig. Die unfreiwillige Flucht vor Lärm im Meer kostet die Meeressäuger viel Energie und schwächt zusammen mit den Belastungen durch Umweltgifte und Schwermetalle zusätzlich ihre Gesundheit.
Aktuell werden die Schweinswal-Populationen in der deutschen Nordsee und der westlichen Ostsee auf mehrere 10.000 Individuen geschätzt. In der zentralen Ostsee ist die Schweinswal-Population akut vom Aussterben bedroht. Dort leben geschätzt nur noch wenige hundert Wale. Dabei werden die Tiere im Schnitt nur noch vier bis sechs Jahre alt – ursprünglich waren es einmal 20 Jahre. Hinzu kommt: Weibchen werden erst mit drei bis fünf Jahren geschlechtsreif und können maximal einmal im Jahr Nachwuchs bekommen. Gerade für den Schweinswal-Bestand in der Ostsee gilt deshalb: Jeder Wal, der in den Stellnetzen stirbt, ist einer zu viel.
Meeresschutz nur auf dem Papier
Meeresschutzgebiete könnten als wichtige Rückzugsorte für die Schweinswale dienen. Seit 2020 besitzen die Natura 2000-Gebiete in deutschen Gewässern der Nordsee – die Doggerbank, das Sylter Außenriff sowie der Borkum-Riffgrund – den rechtlichen Status von Naturschutzgebieten. Das soll helfen, Seevögel, Kegelrobben, Seehunde und Schweinswale, aber auch viele Fischarten zu schützen und wichtige Lebensräume wie Sandbänke und Riffe zu erhalten. In der Ostsee zählen die Pommersche Bucht, die Kadetrinne und der Fehmarnbelt zu den Natura 2000-Gebieten.
Maßnahmenpläne sollen regeln, was in den Schutzgebieten erlaubt ist und was nicht. Während diese für die Ostsee-Gebiete noch fehlen, sind die bereits bestehenden Managementpläne für die Nordsee-Gebiete vollkommen ungenügend. Mit der Grundschleppnetzfischerei, die den Meeresboden beschädigt, und der Stellnetzfischerei, die wegen des enormen Beifangs in der Kritik steht, bleiben gleich zwei der umstrittensten Fischereimethoden in den Schutzgebieten erlaubt. Auch der Schiffsverkehr darf weiterhin ungehindert passieren, und nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung können Windparks und sogar der Abbau von Rohstoffen genehmigt werden. Auch militärische Übungen dürfen sowohl auf als auch unter Wasser mitten in den Schutzgebieten stattfinden.
Der Ukrainekrieg und die Energiekrise 2022 haben die Situation in den Meeresschutzgebieten noch einmal zusätzlich verschärft: Der geplante massive Ausbau von Offshore-Windparks und die Bestrebungen, auch in der Nordsee wieder verstärkt Öl und Gas zu fördern, setzen die Meere vor unserer Haustür zusätzlich unter Druck. Das schürt Sorgen, dass die Maßnahmen für den Meeresschutz aufgeweicht werden und der dringend notwendige Schutz der Schweinswale Rückschritte erleidet. WDC befürchtet zudem, dass neue Windparks womöglich auch innerhalb von Schutzgebieten gebaut werden. Bereits jetzt befindet sich mit „Butendiek“ ein Offshore-Windpark im Sylter Außenriff. Wenn die riesigen Fundamente der Windräder in den Meeresboden gerammt werden, verursacht das extrem hohe Schallpegel. Der Lärm ist kilometerweit zu hören. Für Schweinswale, aber auch für andere Meerestiere, eine echte Qual.
Stellnetze raus aus Schutzgebieten
Whale and Dolphin Conservation (WDC) Deutschland setzt sich bereits seit über zehn Jahren für den Schutz des Schweinswals und für effektive Meeresschutzgebiete ein – 2017 erstmals mit Unterstützung der Umweltstiftung. Mit der damaligen Kampagne „Walheimat – Echte Schutzgebiete für den Schweinswal“ startete WDC damals eine bundesweite Vortragsreihe und führte Workshops mit Journalist:innen und Blogger:innen durch. Zahlreiche Artikel, Video- und Radiobeiträge informierten im Anschluss über die Probleme des Meeressäugers und die Versäumnisse der Politik in Bezug auf seinen Schutz.
2022 folgte dann der erste Teilerfolg: Die Stellnetzfischerei wurde in vier deutschen Schutzgebieten immerhin saisonal von November bis Februar verboten. Das reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um das Überleben der bedrohten Wale zu sichern. Deshalb will WDC mit Unterstützung der Umweltstiftung nun den Druck auf die Politik erhöhen. Das Ziel: In deutschen Meeresschutzgebieten sollen Stellnetz- und Grundschleppnetzfischerei ganzjährig und flächendeckend verboten werden. „Wir wollen sicherstellen, dass die Schutzgebiete den Kleinwalen endlich echten Schutz bieten, damit sie wenigstens hier die so dringend benötigte Ruhe und einen Rückzugort erhalten“, sagt Ritter.
Energiewende naturverträglich gestalten
Auch beim Thema Offshore-Windenergie macht die Organisation Druck und fordert, dass keine neuen Windräder in Schutzgebieten errichtet werden. „Die Energiewende ist wichtig“, erklärt Ritter. „Es ist aber ebenso wichtig, dass der Ausbau der Offshore-Windkraft naturverträglich geschieht. Ansonsten lösen wir ein Problem – den Klimawandel – durch ein anderes – den Biodiversitätsverlust – ab. WDC fordert u.a., dass neue Windkraftanlagen nur unter Einsatz von Lärm vermeidenden Technologien gebaut werden.
Doch selbst unter diesen Bedingungen geht der Bau der Offshore-Windparks mit einer immensen Lärmbelastung und Lebensraumveränderung für die Wale einher. Auch der laufende Betrieb bringt einen lärmintensiven Schiffsverkehr mit sich. „Umso wichtiger ist es, dass die Schutzgebiete den Kleinwalen echten Schutz bieten, indem wir sicherstellen, dass zumindest hier keine Windräder gebaut werden“, sagt Ritter.
Meeresschutz für Klima und Artenvielfalt
Greenpeace engagiert sich für ein globales Netz von Meeresschutzgebieten und fordert, bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Weltmeere unter Schutz zu stellen. Neben den Bedrohungen durch den Tiefseebergbau und dem Schutz der Hohen See hat sich Greenpeace in der Vergangenheit immer wieder für effektive Meeresschutzgebiete in der Nord- und Ostsee sowie für den Schweinswalschutz stark gemacht. Im Juni 2023 protestierte Greenpeace erneut gegen die Erschließung eines neuen Unterwassergasfelds vor Borkum durch eine niederländische Firma mitten im dortigen Schutzgebiet. Solche neuen fossilen Projekte sind nicht nur eine Bedrohung für den Schweinswal und seinen Lebensraum. Die Gasförderung und -verbrennung gefährdet auch das Klima und die Umwelt.