Leuchtturmprojekt Zukunftswald Unterschönau
Im Herbst 2020 haben die Umweltstiftung Greenpeace und der Verein Bergwaldprojekt ein 200 Hektar großes Waldstück in Thüringen erworben. Damit haben wir Großes vor: Unser Zukunftswald Unterschönau soll zu einem Vorbild für eine naturnahe Waldnutzung entwickelt werden und viele Nachahmer:innen finden.
Zugegeben, ein Naturkleinod ist unser Waldstück nicht – noch nicht. Das vormalige Forstgebiet „Hoher Berg“ bei Unterschönau besteht größtenteils aus Fichten in Monokultur. Und das, obwohl die Fichte hier von Natur aus kaum vorkommen würde. Durch zu starke Holzeinschläge wurde der Wald bedrohlich aufgelichtet. Alte Bäume sind rar, und es mangelt an Struktur und Totholz, das für artenreiches Leben und feuchtkühles Waldklima sorgen könnte. Zudem haben schwere Forstmaschinen in den zahlreichen Rückegassen den Boden verdichtet, sodass er weniger Luft und Wasser speichern kann. Sie fragen sich: Warum investiert die Stiftung in einen ökologisch verarmten Forst?
Ganz bewusst haben wir uns für ein Gebiet entschieden, das leider beispielhaft für die Fehler und Probleme einer auf rasche Holzernte fokussierten Forstindustrie steht und daher enormes Potenzial für positive Entwicklungen bietet. Deutschlandweit dominieren vom Menschen angepflanzte, intensiv genutzte Nadelholzplantagen. Das ist schon deshalb alarmierend, weil solche naturfernen Forste den Folgen der menschengemachten Klimakrise kaum gewachsen sind: Vertrocknete und vom Borkenkäfer befallene Fichten- sowie brennende Kiefernforste liefern seit den vergangenen Dürresommern bestürzende Bilder. Allein 2018 bis 2020 wurden Waldflächen, etwa dreimal so groß wie die Ostseeinsel Rügen, massiv geschädigt.
Klar zur Waldwende!
Die Umweltstiftung ist überzeugt: Um Veränderungen anzustoßen, braucht es vor allem praktische Vorbilder, die anderen Waldbesitzer:innen Orientierung bieten und zur Nachahmung anregen. Gemeinsam mit unserem langjährigen Partner Bergwaldprojekt e.V. wollen wir zeigen, wie eine naturnahe Waldnutzung aussehen kann, und ihren Wert für Natur und Gemeinwohl herausstellen: Naturnahe Wälder beheimaten eine größere Artenvielfalt, sie binden mehr CO₂, regeln den Wasserhaushalt besser und leisten auch als Luftreiniger und „Klimaanlage“ wertvollere Dienste als eintönige Forste. Außerdem können sich sich als stabile Ökosysteme an Klima- und Umweltveränderungen anpassen – und damit langfristig auch für sichere Erträge sorgen.
Künftig sollten alle Ökosystemleistungen den Wert eines Walds bestimmen, nicht nur das Holz. Nur wenn Wälder anders bewertet und ihre Leistungen entsprechend honoriert werden, wird die Waldwende gelingen.
Natürliche Prozesse zulassen und fördern
Unser Partner Bergwaldprojekt wird unseren Zukunftswald Unterschönau fachlich und praktisch betreuen und regelmäßige Arbeitseinsätze organisieren. Alle geplanten Maßnahmen orientieren sich an den Leitlinien der naturnahen Waldnutzung.
Dazu zählt zum Beispiel, dass Eingriffe des Menschen auf ein Minimum reduziert werden, und wenn – dann erfolgen sie sehr schonend und behutsam. Dieses Prinzip gilt natürlich auch für die forstliche Nutzung. Kahlschläge sind tabu, nach dem Motto „Qualität, statt Quantität“ sollen nur einzelne dicke Bäume genutzt werden. Allerdings: „In den kommenden Jahren dürfen wir in unserem Zukunftswald nur sehr wenig Holz entnehmen. Es ist wichtig, die Biomasse im Wald zu erhöhen. So stärken wir die Widerstandskraft des Ökosystems“, betont Stephen Wehner, Vorstand und Geschäftsführer des Bergwaldprojekts.
Generell gilt es, natürliche Prozesse im Wald zuzulassen und diese auch zu fördern. Ziel ist ein naturnaher und anpassungsfähiger Mischwald aus Bäumen jeden Alters. Ein viel beachteter Vorreiter des Konzepts ist übrigens der Lübecker Stadtwald. Dieser wird bereits seit 1994 naturnah bewirtschaftet – und das rentabel.
Waldentwicklung unter der Lupe
Zum Auftakt hat ein Team des Bergwaldprojekts im Frühjahr 2021 eine aufwändige Waldinventur durchgeführt. Dabei wurde stichprobenartig erfasst, welche Baumarten vorhanden sind, wie dick und hoch die Bäume sind, wie viele „Biotopbäume“ (etwa mit natürlichen Spalten und Höhlen) sich im Wald befinden und wie es um die Menge an Totholz und den Baumnachwuchs bestellt ist.
Diese Inventur bildet den Ausgangspunkt für ein Langzeit-Monitoring: Veränderungen im Wald, Erfolge und mögliche Rückschläge werden fortlaufend dokumentiert. Maßnahmen im Gebiet passt das Projektteam dynamisch daran an – nicht der Mensch, sondern das Ökosystem Wald gibt den Takt vor! Die Naturverjüngung, also die natürliche Baumvermehrung, hat stets Vorrang. Wo jedoch weit und breit nur die vom Menschen angepflanzte Fichte nachwächst, wird das Bergwaldprojekt versuchen, standortheimische Baumarten wie Buche, Bergahorn oder Weißtanne zu fördern. Die Verwandlung in einen gesunden Mischwald wird Jahrzehnte dauern – aber wir denken bei diesem Projekt groß und sehr langfristig, und schon auf dem Weg zum Ziel können wir viel lernen und erreichen.
Allianz für die ökologische Waldwende
Unser Zukunftswald Unterschönau ist Teil einer größeren Initiative, der neben dem Bergwaldprojekt e.V. und der Umweltstiftung Greenpeace auch der Greenpeace e. V. und andere gleichgesinnte Akteure aus Wissenschaft und Praxis angehören. Mit vereinten Kräften werden wir die dringend nötige ökologische Waldwende in Deutschland und darüber hinaus vorantreiben.
Im Sinne eines „Gläsernen Walds“ möchten wir allen Interessierten zeigen, was wir tun, und unsere Erfahrungen teilen. Auch Angebote zur Umweltbildung und pädagogische Projekte sind für die Zukunft geplant. Wer Lust hat, selbst mitanzupacken, kann sich zu den Freiwilligenwochen auf der Website des Bergwaldprojekts informieren (siehe unten). Davon unabhängig ist natürlich jede und jeder herzlich eingeladen, unseren Wald im Wandel zu besuchen und ihn mit allen Sinnen zu erleben. Das Gebiet befindet sich in der Nähe des berühmten Wanderwegs „Rennsteig“. Noch ein Grund mehr für einen Ausflug nach Unterschönau im Thüringer Wald!
Vertiefende Infos zum Thema naturnahe Waldnutzung:
Weitere Lesetipps:
„Der Holzweg – Wald im Widerstreit der Interessen“
Mehrere Trockenjahre und falsche Forstpraktiken haben Deutschlands Wäldern schwer zugesetzt. 36 Autor:innen reden Klartext und fordern, eine ökologische Waldwende einzuleiten. 480 Seiten, 2021 erschienen im oekom verlag
„Wenn Wälder wieder wachsen – Eine Waldvision für Klima, Mensch und Natur“, 2018
Deutschlands Wälder könnten viel stärker zum Klimaschutz beitragen, zum Beispiel indem der Mensch seltener und behutsamer eingreift. Die Waldvision von Greenpeace basiert auf einer Studie des Öko-Instituts.
„Wege aus der Waldkrise – Vom Forst zum natürlichen Klimaregler“, 2019
Wie die dringend nötige Waldwende in unserem Land gelingen kann, dazu hat Greenpeace in Zusammenarbeit mit der Naturwald Akademie ein starkes Lösungspapier erarbeitet.
„Die Zukunft der Wälder in der Europäischen Union – Ungenutzes Potenzial für Natur- und Klimaschutz“, 2020
Die Studie zeigt auf, welches Klimaschutzpotenzial in europäischen Wäldern steckt. Naturnah genutzt könnten sie im Idealfall doppelt so viel CO2 binden.
Anpacken im Zukunftswald:
Lust auf schmutzige Fingernägel, neue Kontakte zu Gleichgesinnten und sportliche Aktivitäten mit Sinn? Wir freuen uns über freiwillige Helfer:innen!